Im Januar 2005 sorgte das mit versteckter Kamera aufgezeichnete vergebliche Rufen der 94 jährigen E.Kirschner für Schlagzeilen. Ihr Sohn hatte aufgrund verschiedener Verdachtsmomente eine Kamera in ihrem Zimmer (Weihnachtsbaum) angebracht, die unter anderem folgende erschütternde Szene zeigte: Frau K. wurde wach und versuchte aufzustehen. Dies gelang jedoch nicht, weil sich an beiden Seiten Bettgitter befanden und ihre Beweglichkeit zudem auf Grund eines Schlaganfalls beeinträchtigt war. Sie hantierte im Bett herum und fand schließlich die Klingel am Bettbügel. Also klingelte sie und wartete. Als es ihr zu lang wurde, drückte sie nochmals auf den Klingelknopf und wartete wiederum. Als sich nach dem 4 oder 5 Versuch, per Klingel Hilfe herbeizurufen, nichts regte, fing sie an zu rufen. Gleichzeitig versuchte sie immer wieder aus ihrem Bett herauszusteigen, wobei sich ihre Beine derart im Gitter verhakten, dass sie weder vor noch zurück kam. Ihre Bettdecke lag inzwischen auf dem Boden. In dieser verzweifelten Lage verstärkte sie ihr Rufen. Als nach einer dreiviertel Stunde immer noch keine Hilfe kam, begann sie das „Vater unser“ zu beten. Uns Zuschauern standen die Tränen in den Augen, als wir das sahen. An der Uhr, die im Film mitlief, war zu sehen, dass diese Frau länger als eine Stunde warten musste, bis endlich eine der beiden Nachtwachen das Zimmer betrat, die für mehr als 100 Bewohner dieses Heimes im Dienst waren. Vermutlich im Dauerlauf unterwegs, treppauf-treppab über mehrere Etagen, reagierte diese Pflegekraft hochgradig gereizt. Ohne sich zu entschuldigen oder zu erkundigen, Frau Kirschner war nicht dement, schimpfte sie mit ihr, zerrte und schob an ihren Beinen und ihrem Körper herum, bis sie wieder halbwegs ordentlich im Bett lag. Zuletzt hob sie die Decke vom Boden auf und warf sie auf die völlig verschüchterte und zitternde Frau, bevor sie mit der sinngemäßen Bemerkung verschwand: „Ich will jetzt nichts mehr von Ihnen hören, ist das klar.“ RTL zeigte und kommentierte diese Szene. Der Beitrag sorgte für eine ähnliche Empörung, wie im vergangenen Jahr die Aufnahmen von einer gewalttätigen Pflegerin in Bremen. Da das Heim in dem diese Frau lebte jedoch erfolgreich gegen den Sender geklagt hat, musste der Film aus dem Netz genommen werden. Der Münchener Rechtsanwalt Alexander Frey hatte damals den Sohn vertreten. Auch Claus Fussek, Prof. Rudolf Hirsch und andere, werden sich noch gut erinnern. Zahlreiche Fernsehsendungen und Presseberichte griffen anschließend das Thema Gewalt in der Pflege auf.
Pflegekräfte im Nachtdienst, die für 50 und mehr hilfebedürftige alte Menschen verantwortlich sind, können diese Dienste auf längere Sicht nur leisten, wenn sie sich abgewöhnt haben, darüber nachzudenken, wie es denen geht, die vergeblich auf Hilfe warten. Beiden Seiten wird hier Gewalt angetan.
In Fachkreisen spricht man von „struktureller Gewalt“. Niemand möchte wissen, wie oft sich ähnliche Szenen Nacht für Nacht in deutschen Heimen abspielen. Die Pflegekräfte im Nachtdienst werden nicht darüber sprechen, Heimbewohner schweigen aus Angst, vor einer „ruppigen“ Nachtwache, der sie in den nächsten Nächten ausgeliefert sind.
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