Studie bestätigt hochgradige Gefährlichkeit der Nachtdienstbesetzung

cbiensteinNachdem wir das Thema Nachtdienst in deutschen Pflegeheimen zum Brennpunkt erklärt und mit dieser Sonderseite an die Verantwortungsträger appellieren,  haben sich nun auch Pflegewissenschaftler mit dem Thema befasst.  Dr. Jörg große Schlarmann und Prof. Christel Bienstein, von der Universität Witten/Herdecke, stellten das Ergebnis im November 2015 vor.  Wie nicht anders zu erwarten, bestätigt diese Untersuchung, dass hier dringender Handlungsbedarf  besteht.

Es stellte sich heraus, dass wir mit unserer Annahme einer durchschnittlichen Personalbesetzung von 1:50 im Nachtdienst sogar noch optimistisch geschätzt hatten.  Die Auswertung der Fragebögen  dieser Untersuchung ergab einen Durchschnittswert von 1: 52 Bewohner.   Demnach setzen die Pflegeheime in Deutschland  durchschnittlich  Nachts nur einem Mitarbeiter  für zweiundfünfzig, schutzbedürftige, alte, kranke und sterbende Menschen ein. Regelmäßig sogar als Alleinwache ohne Hintergrunddienst.  Nicht selten muss die Nachtwache sogar zwischen mehreren Häusern pendeln, die zu einer  Einrichtung gehören.   8,7 Prozent der Teilnehmer an dieser Befragung (Nachtwachen) sind sogar alleine für mehr 100  Bewohner zuständig.   Selbst Prof. Bienstein, die Initiatorin dieser Studie, war von diesen Angaben  überrascht, wie sie in einem Interview erklärt:

„Ein besonderes Problem ist, dass die Pflegenden im Nachtdienst wirklich ganz allein auf sich gestellt sind. Sie können auf niemanden zurückgreifen, auch nicht, wenn es zu einem Zwischenfall oder Notfall kommt.  Deshalb lautet auch unsere Empfehlung, dass jeder Nachtdienst mit mindestens zwei Pflegepersonen erfolgen sollte und dass ein hochqualifizierter Hintergrunddienst  in der Nacht anwesend ist.“  Befragt zu den politischen Konsequenzen antwortet Bienstein: “ Ich plädiere deshalb für gesetzliche Pflegeschlüssel pro Schicht und neue Personalbemessungsverfahren in Pflegeheimen.“

Genau unser Reden und Schreiben.  In ihren Empfehlungen orientieren sich die  Wissenschaftler ebenfalls an unserer Forderung und gehen hier sogar noch weiter, indem sie mindestens zwei bis drei Pflegende pro 60 Bewohner empfehlen.     Mehr dazu finden Sie im Beitrag von Brigitte Teigeler, Nachts in deutschen PflegeheimenDie Schwester Der Pfleger, 11/15.   (Leider nur für Abonnenten zugänglich.)

Auf dieser Seite der Uni-Witten/Herdecke finden Sie den gesamten Ergebnisbericht, zu den 36 Fragen,  die per online Fragebogen beantwortet werden konnten.

Von den insgesamt 276  Personen (NachtdienstmitarbeiterInnen) die sich an der Befragung beteiligt hatten, arbeiten 51,8 Prozent in Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege.  Also bei Trägern wie dem Bayerischen Roten Kreuz beziehungsweise jener Einrichtung des BRK in Kronach, die Anlass zu unserem Aufruf an die Politik gab.   Wie berichtet hat Bayern daraufhin einen Mindestpersonalschlüssel  für den Nachtdienst beschlossen.   Da die Mehrzahl  der NachtdienstlerInnen, die sich an der Befragung beteiligt hatten, aus Bayern stammen, muss angenommen werden,  dass die durchschnittliche Besetzung in den anderen Bundesländern noch schlechter als 1:52 ist.  Denn in Bayern gilt die Verfügung einer Mindestbesetzung von 1:30 bis max 1:40 , seit Juli 2015.  Auch wenn uns bekannt ist, dass man hier Übergangslösungen bis Ende des Jahres akzeptiert, gehen wir davon aus, dass die Nachtdienste dort aktuell  besser besetzt sind, als im Rest der Nation.

Ich danke an dieser Stelle, Christel Bienstein und Jörg große Schlarmann für diese Studie, die unsere Forderung nach Soforthilfe mit Zahlen und Daten untermauert.  Damit wollen wir nun erneut an die  Bundesländer herantreten.  Den Trägern von Einrichtungen fehlt es hier ganz offensichtlich an Verantwortungsbewusstsein, ebenso wie den Verhandlungspartnern bei den Kassen und Kommunen. Die Studie kann auch dahingehend gedeutet werden, dass die  Pflegeselbstverwaltung einen reinen Kostenkontrollzweck erfüllt.  Denn würde die Qualität bei den Pflegesatzverhandlungen eine Rolle spielen, dürfte es die gefährliche Unterbesetzung der Nachtdienste nicht geben.

3 Kommentare

  1. Im Artikel von „Die Schwester Der Pfleger“ steht auf Seite 27: „Es muss gewährleistet sein, dass mindestens zwei bis drei Pflegende für 60 Bewohner in der Nacht anwesend sind.“ Die Studie spricht diese Empfehlung für 50 Bewohner aus. Mißverständlich ist auch in der Folge die Aussage „Pflegende sollten nicht mehr als vier Nächte hintereinander die Verantwortung für Bewohner übernehmen.“ An dieser Stelle steht in der Studie:“Pflegenden mit Wechselschichten sollten nach den Nachtdiensten vier Tage hintereinander im Frei eingeräumt werden“. In dem Artikel in der Zeitschrift steht kein gesonderter Verfasser. Wurde er auch von Frau Bienstein und Herrn große Schlarmann verfasst? Woran soll man sich halten?

  2. Genauso ist das nicht!!!
    In meinem Seniorenhaus kümmern sich 2 Nachtwachen um 78 Bew., das ist immer noch viel Arbeit, aber mitnichten so wie es hier dargestellt wird.

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