Kommissar ermittelt nachts im Altenheim

Matthias Brandt nimmt sich im Sonntagskrimi „Polizeiruf 110: Nachtdienst“ als Kommissar Hanns von Meuffels einer Altenheimbewohnerin an, die einen Mord beobachtet hatte, worauf sie unbemerkt das Heim verlässt und sich von einem Taxi zur Polizei fahren lässt.  Während ein diensthabender Polizist sich der aufgebrachten, verwirrten, alten Dame im Morgenrock zu erwehren versucht, nimmt sich der  Kommissar, der eigentlich schon dienstfrei hat, der Frau an.  Die Art wie er das tut und sich hineinbegibt in das Leben und Erleben der Bewohner und Pflegekräfte in diesem (nachgestellten) Heim, ist beispiellos.  Eine vergleichbar ernsthafte Ermittlungsarbeit bei angezeigten Gewalttaten in Pflegeheimen, dürfte in der Realität wohl noch nie vorgekommen sein.  Aus meiner Sicht fällt das unter Wunschdenken.

Tatsächlich trifft eher  zu, was  z.B.  die Pfleger  so nebenher bemerkten: „Ihr (Heiminsassen) seid unsichtbar.  Ausgemustert.  Es interessiert doch keinen da draußen, was hinter diesen Mauern passiert.  Es interessiert auch niemand wie wir hier klar kommen. …. Beschwerden nützen nichts.  Mit drei Leuten im Nachtdienst liegen wir weit über dem Durchschnitt. …“

Ungewöhnlich, ja geradezu einzigartig, die Haltung des Kommissars, der sich von den verwirrenden Aussagen der einzigen Zeugin und dem Hinweis des Pflegers „Die Frau Strauß ist doch dement“,  nicht zur Einstellung weiterer Ermittlungen verleiten ließ.   In der Realität ist es hingegen so, dass Heimbewohner mit der Diagnose Demenz als Zeugen untauglich erscheinen.   Würden  Gewaltdelikte und unklare Todesumstände bei Heimbewohnern ebenso sorgfältig untersucht wie allgemein üblich, hätte das unmittelbar Einfluss auf die Personalbesetzung.  Denn solange Heimbetreiber nicht befürchten müssen, dass nachts etwa die Polizei auftaucht, erfährt kein Außenstehender was da vorgefallen ist. Angehörige schon gar nicht.   Heimaufsicht und  MDK lassen sich nachts genausowenig blicken.  Sollte dann ein verwunderter Angehöriger auf einer Aufklärung der Todesumstände bestehen, muss er davon ausgehen, dass alle die etwas sagen könnten schweigen werden oder man sich intern abgesprochen hat.

Insgesamt ist den Machern und Schauspielern dieses Polizeirufs ein aufrüttelndes Nachtdienst-Drama gelungen, das  in eindringlicher Weise  eine Realität vor Augen führt, die allzu gerne verdrängt wird.   Und er macht das so gut, dass sich Zuschauer persönlich angesprochen fühlen und sich die Frage stellen, wie man es verhindern kann, in „so einem Heim“ zu enden.  Diese Gefahr wird sogar mit jedem Tag größer. Denn die  Zahl Alter- und Pflegebedürftiger wächst und  die Gesellschaft verlässt sich auf Politiker die ihre Aufgabe darin sehen den Bürgern einzureden,  sie hätten alles im Griff.

Im Internet finden Sie zahlreiche Kritiken zu diesem „Meisterwerk“.  Mir erscheint die von Rainer Tittelbach, auf tittelbach.tv  besonders treffend:

Auch  Web.de  gibt dem  „Polizeiruf 110: Nachtdienst“  in jeder Hinsicht die Note „1“. Grandios – Hervorragend – Eindringlich – Beänstigend. Ein  Horrorfilm, den der Zuschauer nicht so schnell aus dem Kopf bekommt.  Ein Szenario, das der Realität in vielen deutschen Altenheimen nachempfunden ist.  Von den Kommentaren zum Beitrag auf Web.de habe ich mir erlaubt einige herauszugreifen, die in besonderer Weise verdeutlichen,  das dieser Polizeiruf  eine Weckruf sein sollte – für jeden einzelnen Bundesbürger, der diese Form der „Endlagerung“ für seine eigenen Angehörigen oder sich selbst nicht erleben möchte.

Zum Glück sind nicht alle Pflegestationen so, aber wir, die noch klar denken können sollten achtsam sein, denn auch wir kommen in dieses Alter in so eine Situation der Hilflosigkeit. – kommentiertRosemarie Otter auf web.de

… Polizeiruf zu schauen vermeide ich, aber Matthias Brandt hat eine besondere Art zu spielen. Das Thema wollte ich auch vermeiden, da ich mich in diese Richtung (bin 65) bewege und auf jeden Fall Horrorvorstellungen von Altenpflegeheimen habe. Eine derbere Kritik an den bestehenden Zuständen in den Altenpflegeheimen, die dazu ausgesprochene Realitätsnähe hatte, konnte man gar nicht bringen. Aber auch das wird unsere Politiker nicht tangieren, schließlich wird „so etwas“ sie niemals persönlich treffen, wie sie sich auch sonst sehr weit von ihren Bürgern entfernt haben.   – kommentiertSybille Kühn  auf web.de

Der beste Polizeiruf aller Zeiten !!!! Das Ende war zwar ziemlich überzogen aber der Heimalltag in der Nacht 100% ig wahr. Ich habe 110 Patienten als ex.PfK nachts mit 1 Pflegeassistent/in betreut. Das gezeigte Heim ist kein Einzelfall. Ein notdürftig umgebautes ehemaliges KH mit vielen Zimmern um reichlich Kohle damit zu verdienen. Das es da 3 PfK gab ist die Ausnahme. Man muss aber sagen, das es von der Ausstattung und Aufteilung schöne Pflegeheime gibt, der Personalschlüssel allerdings ist ÜBERALL gleich, nämlich unterbesetzt. Gute Pflegekräfte sind Mangelware und der Verdienst teilweise unterirdisch. Da wir alle früher oder später alt und gebrechlich werden..zieht euch schon mal alle warm an, es wird nicht besser !!! – – kommentiertGreta Mueller  auf web.de

Ich habe diesen Tatort gesehen und mich zwischen durch je nach Szene innerlich geschüttelt und zu meinem Mann gesagt , so etwas möchte ich später nicht erleben müssen .(Bin 56 Jahre) Das ist das Ergebnis der sparsamen Gesundheitsreform. Herzlichen Glückwunsch. Unsere Rentner haben keine Lobby ! Sie werden ständig vergessen. Obwohl sie alles mit eigener Kraft aufgebaut haben im letzten Jahrhundert .  Wo ist der Respekt in unserer Gesellschaft geblieben ? – kommentiertMonika Krause  auf web.de

Sozialkritik mit Gruselfaktor! Sehr nah dran an der Wirklichkeit einiger Einrichtungen! Allein der Geruch den man speichert, wenn man mal dort war, ist auch nach Jahren noch abrufbar. Ein Polizeiruf der Extraklasse, Prädikat sehenswert und wertvoll! Matthias Brandt in Bestform, Frau Schwarz als demente Dame sorgt immer wieder für „Momente“. Authentische Pfleger, Mitbewohner und die Musikauswahl hat mich abgeholt und mitgenommen!
Ich hoffe dieser Polizeiruf wirkt und bewirkt irgendwann eine Veränderung. – kommentiert Jörg Gottschalk aufdaserste.de

Dieser Hoffnung können wir uns wohl alle anschließen. Jedoch von hoffen alleine ändert sich nichts.  Man muss auch tun und darf sich mit dieser Situation nicht abfinden.

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