Mindeststandard für den Nachtdienst in Pflegeeinrichtungen
Vorgeschrieben in den Heimgesetzen der Länder ist die Anwesenheit mindestens einer Pflegefachkraft, auch in der Nacht. Einige Heimgesetze schränken diese Vorgabe mit dem Zusatz ein, dass es unter Umständen ausreicht, wenn die Fachkraft bei Bedarf gerufen werden kann. Angaben zum Verhältnis Pflegekraft zur Anzahl der Bewohner, sucht man hingegen vergeblich. Baden-Württemberg sieht nach einem Gerichtsurteil, als Mindestforderung für den Nachtdienst, einen Personalschlüssel von 1:50 vor. Auch in NRW geht die Rechtsprechung davon aus, dass mindestens eine Pflegefachkraft (nicht Pflegekraft) für jeweils 50 Bewohnerinnen und Bewohner im Nachtdienst erforderlich ist (Urteil des OVG NRW vom 03.07.2009-12 A 2630/70) Dieser entspricht dem ungeschriebenen Standard, wie wir ihn bundeweit derzeit feststellen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen. Dass eine Pflegekraft unmöglich in der Lage sein kann, den individuellen Anforderungen von 50 pflegebedürftigen, alten, überwiegend demenziell veränderten Menschen gerecht zu werden, versteht sich eigentlich von selbst. Näheres zu den Ursachen dieser systembedingte Unterbesetzung finden Sie an anderen Stellen dieser Seite.
Langfristig fordern wir eine Besetzung der Nachtdienste, die sich am Hilfebedarf orientiert. Da es unverantwortlich wäre, darauf zu warten, bis genaue Zeitwerte und Bedarfe erforscht sind, fordern wir die Einführung folgender Sicherheitsstandards als Soforthilfe:
Stationäre Einrichtungen der Altenhilfe mit durchschnittlichen Anforderungen (Demenzrate unter 60 Prozent, keine Intensivpflegebedürftigen, keine Wachkomapatienten, etc.)
Mindestpersonalschlüssel 1: 30
- Einrichtungen bis 60 Bewohner: eine Pflegefachkraft plus eine erfahrende Hilfskraft
- Einrichtungen ab 60 bis 90 Bewohner: zwei Pflegefachkräfte plus eine erfahrene Hilfskraft
- Einrichtungen ab 90 bis 120 Bewohner: drei Fachkräfte plus eine erfahrene Hilfskraft usw.
Spezialeinrichtungen für Menschen mit Demenz sowie Heimen oder Wohnbereiche mit einer Demenzrate von über 60%
Mindestpersonalschlüssel 1: 20
- Einrichtungen bis 40 Bewohner: eine Pflegefachkraft plus eine erfahrene Hilfskraft
- Einrichtungen ab 40 bis 60 Bewohner: zwei Pflegefachkräfte plus eine erfahrene Hilfskraft usw.
Pflege-WG / Demenz-WG bis 12 Bewohner
Auch in ambulant betreuten Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige muss die nächtliche Sicherheit und Versorgung durch einen aktiven Nachtdienst abgedeckt sein. Zusätzlich ist ein Hintergrunddienst zu organisieren. Je nach den Anforderungen kann hier eine Pflegehilfskraft mit mind. einjähriger Ausbildung eingesetzt werden, sofern diese die Bewohner kennt und mit den Aufgaben vertraut ist. In solchen Fällen muss jedoch immer eine Pflegefachkraft Hintergrunddienst haben, die bei Bedarf telefonischen Rat geben oder zur Unterstützung herbeigerufen werden kann.
Kein Einzel-Nachtdienst!
Auch in Einrichtungen unter 30 Bewohnern darf keine Pflegekraft im Nachtdienst alleine gelassen werden! Das ist unverantwortlich, schon deshalb, weil es immer Situationen geben kann, die nur mit Unterstützung einer zweiten Kraft sicher gehandhabt werden können. Bei einem Einzelnachtdienst werden Bewohner wie auch die Pflegekraft einem hohen Risiko ausgesetzt. Beispielsweise könnte sich die einzige Pflegekraft beim Heben eines Bewohners einen Bandscheibenvorfall zu ziehen oder aus anderen Gründen unfähig sein, Hilfe herbei zu rufen. In solchen Fällen wären nicht nur die Bewohner für den Rest der Nacht schutzlos auf sich gestellt. Arbeitsunfälle dieser Art kann sich eigentlich heute keiner mehr leisten. Pflege ist Schwerstarbeit, weshalb jede Fachkraft mit geschädigter Wirbelsäule für die direkte Pflegearbeit ausfällt und umschulen darf.
Die geforderte Erhöhung der Nachtdienstbesetzung darf nicht zu Lasten der Tagdienstbesetzung gehen!
Für den Tagdienst fordern wir ebenfalls eine Personalmindestbesetzung pro Dienstzeit und verweisen nochmals auf dieses Positionspapier
Es darf nicht länger hingenommen werden,
- dass hilfebedürftige Menschen durch Neuroleptika, Sedativa und andere Mittel in eine noch hilflosere Lage hineintherapiert werden, weil menschliche Begleitung zu teuer erscheint,
- dass sterbende Menschen alleine gelassen sind, vor allem in der Nacht,
- dass Heimbewohner von Abends um 7 bis morgens um 7 gezwungen sind in ihren Betten zu bleiben, weil die Personalausstattung im Nachtdienst keine Zeit für menschliche Begleitung und Beschäftigung lässt,
- dass Heimbewohner in der Nacht oft sehr lange auf Hilfe warten müssen und Gefahren ausgesetzt sind, weil das Personal nicht reicht um wichtige Sicherheitsvorschriften einhalten zu können,
- dass Pflegekräfte im Nachtdienst komplett auf sich alleine gestellt sind und den Rettungsdienst oder die Polizei rufen müssen, wenn sie mit einer Situation alleine nicht klar kommen.
- dass Pflegefachkräften im Nachtdienst eine Verantwortung aufgebürdet wird, die sie gar nicht tragen können.