Nachdem Bayern bereits im Januar auf unseren Appell reagiert hat, wonach ab diesem Monat (Juli 2015) in den Heimen Bayerns eine Nachtwache für 30 bis maximal 40 Bewohner einzusetzen ist, verfügte nun auch Baden-Württemberg einen Sicherheitsstandard für die Nachtdienste in Pflegeheimen. Nach einem Gerichtsurteil galt in BW ein Richtwert von 1:50, der jedoch keine wirkliche Verbindlichkeit hatte und vermutlich ebenso häufig überschritten wurde wie in anderen Ländern auch. Nun legte das zuständige Ministerium unter Leitung von Katrin Altpeter fest, dass „für jeweils vierzig Bewohnerinnen und Bewohner mindestens eine Pflegefachkraft bei Nacht da sein muss.“ Konkret heißt es in der HeimpersonalVO von Juli 2015:
§ 10
Nachtdienst(1) Im Nachtdienst muss nach § 10 Absatz 3 Nummer 4 Halbsatz 3 WTPG ständig eine Pflegefachkraft nach § 7 Absatz 2 eingesetzt und anwesend sein. Hierbei müssen mindestens pro 40 Bewohnerinnen und Bewohner je eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter eingesetzt werden. Von den eingesetzten Beschäftigten nach Satz 2 muss mindestens die Hälfte eine Pflegefachkraft nach § 7 Absatz 2 sein.
Von der Anforderung nach Satz 2 kann auf Antrag mit vorheriger Zustimmung der zuständigen Behörde abgewichen werden, wenn eine fachgerechte Pflege der Bewohnerinnen und Bewohner sichergestellt ist. Dazu hat der Träger der stationären Einrichtung der zuständigen Behörde eine Konzeption mit fachlich qualifizierter Begründung vorzulegen.
Wenngleich diese Regelung hinter unserer Forderung eines Schlüssels von 1:30 bleibt, sieht die Landesregierung BW immerhin die Notwendigkeit einzuschreiten und nicht wie bisher auf die Selbstverwaltung zu vertrauen. Wo der Pflegeselbstverwaltung (Heimträger + Kassen) die Einsicht fehlt, dass eine Nachtwache unmöglich mehr als 40 Bewohner sicher betreuen kann, muss die Politik reagieren. Das hat Frau Altpeter offenbar erkannt, die außerdem selbst aus der Pflege kommt. Insgesamt lässt die Regelung jedoch darauf schließen, dass vor allem die Kosten sowie die wachsende Schwierigkeit, Pflegepersonal zu finden, bedacht wurden. So wird den Heimen eingeräumt, eine geringere Besetzung beantragen zu können. Vermutlich in Fällen in denen rein rechnerisch eine zweite oder dritte Kraft eingesetzt werden müsste, bei Heimen mit z.B. 42 oder 85 Plätzen. Im Sinne der Sicherheit und individuellen Versorgung wäre es hingegen richtig und wichtig, auch in kleinen Heimen zwei Personen im Nachtdienst einzusetzen.
Wenn ich die oben zitierte Regelung richtig lese, müssten Heime mit 41-79 Bewohnern ihre Nachtdienste mit je einer Pflegefachkraft und einer Hilfskraft besetzen. Ab 80 – 119 Bewohnern sind zwei Pflegefachkräfte einzusetzen, sowie eine Hilfskraft. Ab 120 bis 159 Bewohnern, zwei Pflegefachkräfte plus zwei Hilfskräfte oder drei Pflegefachkräfte plus eine Hilfskraft usw. Diese Besetzung ist zwar deutlich besser als die bisherige, aber keineswegs ausreichend, um den hilfebedürftigen, alten Menschen in den Heimen die im Heimgesetz und Heimvertrag versprochene, individuelle Pflege und Betreuung bieten zu können. Dies betrifft insbesondere kleinere Heime mit bis zu 40 Bewohnern, in denen nach wie vor nur eine Nachtwache eingesetzt werden muss.
Fragwürdig erscheint die Regelung des Tagdienstes. Schaut man sich diese an, muss man den Eindruck gewinnen, dass eine List erdacht wurde, zum Zwecke den Mehrbedarf an Pflegekräften im Nachtdienst durch Umschichtungen und Einsparungen im Tagdienst zu gewährleisten. Dabei weiß jeder, dass auch die Tagdienste schon vorher äußerst knapp besetzt waren. Wie jedoch will das Land Baden-Württemberg, Pflegekräfte gewinnen und längerfristig bei der Stange halten, wenn es Arbeitsbedingungen beschließt, die Unzufriedenheit vorprogrammieren?
Adelheid von Stösser, 17.Juli 2015
Nun steht fest, dass ab 01.02.16 die neue „Verordnung des Sozialministeriums über personelle Anforderungen für stat. Einricht. in Baden-Württemberg in Kraft tritt. Allerdings kann ich weder eine wirkliche Verbesserung für die Bewohner, noch für das Personal sehen. Im § 10 wurde die Zahl der Bewohner pro Beschäftigten auf 45(!) erhöht. Bisher: 1 Pflegefachkraft : 50 Bewohner. Positiv werte ich nur §10(2). Die steigende Zunahme der Behandlungspflege, deren Niveau der Anforderungen bedarf entsprechend ausgebildetes Pflegepersonal. Nach dem neuen Gesetz kann die Pflegefachkraftquote sogar bis auf 40% gesenkt werden, da die Fachkraftquote durch andere Fachkräfte weiterhin zu 50% bestehen bleibt. Nun frage ich mich, wenn 1 Pflegefachkraft im Tagdienst für 30 Bewohner vorgesehen ist, wie soll die medizinische Versorgung erfolgen, wenn §9 (2)1.-7.gilt und noch immer kein Mindestpersonalschlüssel eingeführt wurde. Wo bleibt die Pflegequalität, wenn sich trotz Flexibilität im Personaleinsatz nichts geändert hat? Welche Pflegefachkraft wird sich ein Arbeiten unter diesen Umständen noch antun wollen? Ein gewissenhaftes Arbeiten, eine zuwendungsorientierte Pflege ist bei Fließbandpflege nicht möglich.